Lebhafte Diskussion über den NSU-Untersuchungsausschuss mit Dr. Eva Högl

05. Juli 2013

Ekelhafte Leute, die Morde des NSU-Trios und die Rolle der Sicherheitsbehörden – es war eine harte Kost, was die Bundestagsabgeordnete Eva Högl (SPD) servierte. Die Sprecherin der SPD für den NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin fasste die bisherigen Erkenntnisse im Glenk-Saal in Bayreuth so zusammen: „Ein flächendeckendes Versagen unserer Sicherheitsbehörden.“

Ob Politik, Justiz, Polizei oder Verfassungsschutz – alle hätten verharmlost, weggesehen und seien „auf dem rechten Auge blind“ gewesen. Deswegen hätten die Behörden auch so spät in Richtung Rechtsextremismus ermittelt. Und das obwohl der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) das erste Opfer der Anschlagserie quer durch Deutschland kannte: den Blumenhändler aus Nürnberg. Beckstein habe zweimal während der Ermittlungen an seine Behörden geschrieben, dass er einen rechtsextremistischen Hintergrund vermute. Vergeblich. Ein müder „Drei-Zeiler“ als Antwort habe Beckstein von der Polizei erhalten: Keine Anhaltspunkte für Ausländerfeindlichkeit. „Da sind wir böse geworden“, sagt Högl und meint ihre SPD im Untersuchungsausschuss.

Zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und an die 15 Banküberfälle, alle Verbrechen verübt in 14 Jahren, unerkannt aus dem Untergrund. Das wirft man dem sogenannten NSU-Trio vor, das sich zurzeit vor dem Oberlandesgericht München im sogenannten NSU-Prozess verantworten muss. „Das war ein Anschlag auf unsere Demokratie“, warnt Högl, „auf unser tolerantes Zusammenleben.“ Aber in anfangs ermittelten nur fünf Beamte in Richtung rechtsextremer Gewalt.

Warum so wenig, warum so uneffektiv? Das erklärt Högl mit „ausgeprägten Eitelkeiten“ der Behörden, mit dem Gerangel um Zuständigkeiten. Alles nach dem Motto: „Mein Fall, meine Täter, meine Observation.“ Für Högl nichts anderes als ein glatter „Skandal“.Ebenso wie die Rolle der V-Männer, lauter „ekelhafte Leute“. Auch hier habe der Verfassungsschutz seine Aufgabe nicht ansatzweise erfüllt. Die Auswahl der V-Leute, die Führung, die Bezahlung, die Verarbeitung ihrer Informationen: laut Högl ein Totalversagen. „Ich kann verstehen, dass das jemand dichtmachen will.“

Tatsächlich forderte das auch ein Zuhörer der Veranstaltung, zu der die Bundestagsabgeordnete Annette Kramme aus Bayreuth geladen hatte. Aber den Verfassungsschutz dichtmachen, so weit wollten die SPD-Politikerinnen Kramme und Högl nicht gehen. Högl fordert „eine zweite Chance“ für die Organisation. Selbst wenn andere, nicht staatliche Organisationen oft mehr wüssten. Die aber seien nicht so gut ausgestattet, dass sie polizeiliche Aufgaben übernehmen könnten. Selbst die verhassten V-Leute hält sie für notwendig. Denn ohne sie wären noch schwerer Erkenntnisse aus der Szene zu erhalten. Und mehr Telefonate abhören? Klare Absage Högls: „Nach dem Abhörskandal der USA haben wir Skepsis.“

Ein gewichtiger Einwurf zum Thema Behörden kam von Martin Becher, Leiter der Projektstelle gegen Rechtsextremismus des Bayerischen Bündnisses für Toleranz, Demokratie und Menschenwürde in Bad Alexandersbad. Für ihn seien, anders als für Högl, die Behörden kein Abbild der Gesellschaft. „Wenn nur eine junge, türkischstämmige Polizistin gesessen hätte in der Sonderkommision, dann wäre das anders abgelaufen“, sagt er. Er tadelt die Behörden als „selbstbezogen“, denen es nicht um die Sache gehe. Sondern um sich selbst. Beifall der etwa 60 Zuhörer.

Aber wie ändert man eine Behörde, wie macht man sie bunter? Högl zuckt mit den Schultern. „Das ist gar nicht so einfach.“ Und ja, es stimmt. Die Zeugen im Untersuchungsausschuss waren „christliche weiße Männer, mittelalt.“ Mit „ausgeprägter Distanz zu den Mordopfern“. Ihr Fazit: „Die haben das Problem nicht erkannt.“ Aber Um erfolgreich zu sein, hätte es nur eine Sache gebraucht: „Eine saubere Polizeiarbeit.“

Quelle: Nordbayerischer Kurier, Otto Lapp

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